Islamkritik von links? Ein Gespräch mit Mahsa Abdolzadeh

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By Sebastian Reinfeldt

Nicht wegducken – sondern die politische Auseinandersetzung offen und direkt führen. So sollte es eigentlich sein. Stattdessen führt die Linke weiterhin Rückzugs- und Verteidigungskämpfe. Das Thema Islam ist dabei ein Beispiel. Herrscht doch in den islamisch regierten Ländern der Welt eine Gesellschaftsform vor, die mit der Befreiung der Menschen von ihren Fesseln nichts, aber auch gar nicht zu tun hat. Im Gegenteil.

Mahsa Abdolzadeh ist in seinem solchen Land aufgewachsen und auch dort auf eine islamistische Schule gegangen. Wie alle ihrer KollegInnen im Iran musste sie beispielsweise jeden Morgen über Israel-Fahnen trampeln, bevor der Unterricht begann. Erziehung zum Hass ist dort Alltag. Seit 2004 lebt Mahsa fix in Wien, hat hier ihren Masterabschluss zum Thema Demokratie­versuche der Frauenbewegung im Iran gemacht. Sie ist eine islamkritische Linke, die für die Grünen in Döbling in der Bezirksvertretung sitzt. Ein Gespräch mit ihr – von Sebastian Reinfeldt.


Auf Facebook hast du vor einigen Tagen einen Einwurf zum Islam veröffentlicht. Darin schreibst du unter anderem: „Wenn wir Linke den Islam und insbesondere islamische Vereine nicht kritisieren, geben wir daher einerseits den Rechten den Raum diese Kritik zu vereinnahmen und sie für ihre Hetze schamlos auszunutzen. Andererseits sind wir mitverantwortlich, wenn das religiöse Elend hier fortbesteht.“
Warum dieser Kommentar zu dieser Zeit?

In Anbetracht der weltweiten Ereignisse der vergangenen Monate, von Orlando bis zur Vergewaltigung im Wiener Prater, ist das Thema Islam als auch Islamismus heute aktueller denn je. Weltweit benützen rechts-populistische PolitikerInnen – von Donald Trump über Marine Le Pen bis zu Norbert Hofer – ihre eigene Definition von Islam kritisch Sein für billige Hetzte gegenüber Menschen, die aus Kriegsgebieten oder aus islamischen Ländern vor genau diesem gesellschaftlichen oder staatlich institutionalisiertem Terror geflohen sind, um friedlich in Freiheit leben zu können.
Diese so genannte Islamkritik der Rechten weltweit richtet sich allerdings nicht gegen den Islamismus, sondern gegen alle Muslime und Nichtmuslime – es ist letztlich wieder Rassismus gegen nicht-weiße Menschen. Leider wird der Islamismus seitens der Linken selten kritisiert, weil jegliche Diskussion zum Thema Islam in linken Kreisen tabuisiert ist.

Dein Ausgangspunkt ist, es gebe ein linkes Tabu, überhaupt über den Islam zu sprechen und insbesondere darüber, kritisch über ihn zu sprechen. Wie ist dieses Tabu entstanden?

Einer der Hauptgründe dafür ist das Unwort Islamophobie, was Menschen, die den Islam kritisch beäugen, bei jeder sich bietenden Gelegenheit unterstellt wird. Viele WissenschaftlerInnen im deutschsprachigem Raum, die den Begriff der „Islamophobie“ benutzt haben, stehen der Ideologie islamistischer Organisationen – wie z.B. der der Moslembrüderschaft – sehr nahe. Mit dieser Etikettierung wird jegliche Diskussion und progressive Auseinandersetzung im Keim erstickt, und die KritikerInnen des Islamismus werden mundtot gemacht.

Was sind die wichtigsten Gründe für deine kritische Haltung dem Islam gegenüber?

Der Islam an sich ist eine Religion wie jede andere. Aus meiner Sicht sollten wir permanent ausnahmslos alle Religionen kritisch betrachten und hinterfragen, auch im Hinblick auf ihre gesellschaftlichen Ziele. Was insbesondere die Kritik am Islam notwendiger denn je macht, ist, dass im Islam noch keine Reformation und keine Aufklärung stattgefunden hat und dass er folglich ausdrücklich den Anspruch auf territoriale Erweiterung formuliert, mit dem Ziel sich über sämtliche Errungenschaften der Aufklärung zu erheben.

Du lehnst auch den Begriff der Islamophobie für die Attacken der Rechten gegen Refugees ab, warum?

Das hat mehrere Gründe.
Das Wort Islamophobie an sich ist terminologisch falsch, weil eine Phobie eine psychische Erkrankung ist, bei der sich die Angst gegen ein Objekt richtet und der Patient der Phobie ausgeliefert ist, wobei er sich nicht freiwillig entscheiden kann, Angst zu empfinden.
Zum einen ist der Islam aber kein Angst machendes Objekt, sondern eine Ideologie. Außerdem richtet sich die Islamophobie gegen MuslimInnen. Wer aber sind MuslimInnen? Wie werden diese in unserer westlichen Kultur definiert? Durch ihr Aussehen? Durch ihre Herkunft? Durch das Tragen bestimmter Kleidung?
Egal wie die Definition am Ende aussieht, heraus kommt eine Separation im Namen einer Religion, was an sich schon rassistisch ist. Andererseits räumen wir Menschen, die ausländerfeindlich und xenophob sind, ein, dass sie nichts für ihr Verhalten können und – wenn islamophob – krank sind. Damit befreien wir sie von ihrer Schuld. Fremdenhass ist aber keine Krankheit, sondern eine aus Überzeugung selbst gewählte Haltung.

Wie hat sich in den vergangenen Jahren deine Kritik am Islam geändert?

Da ich in einem islamischen Land geboren und aufgewachsen bin, musste ich mich ständig, freiwillig und unfreiwillig mit dem Islam auseinandersetzen. Schon im Alter von neun Jahren musste ich in der Schule den Koran auswendig lernen. Ich finde den Islam als Religion, auf einer spirituellen Ebene, im Privaten ausgeübt, wie alle anderen Religionen. Religionsfreiheit und Meinungsfreiheit sind wichtige Errungenschaften der Aufklärung, die es mit allen Mitteln zu schützen gilt. Eine säkulare Demokratie sollte in der Lage sein, allen Religionen und ihren AnhängerInnen den nötigen Raum bieten können, aber auch die Religionen sollten säkular agieren, was heißt, weder die katholische, noch die evangelische, noch die orthodoxe Kirche, noch der Islam oder irgend eine andere Glaubensgemeinschaft sollten Einfluss auf Belange des Staates, noch auf das politische Geschehen nehmen können.

Warum sollte man die Integrationsarbeit nicht den MigrantInnenvereinen überlassen?

Einerseits ist Integrationsarbeit per se Aufgabe des Staates, welche dieser nicht an die Zivilgesellschaft auslagern sollte. Andererseits ist es unmöglich MigrantInnenvereine zu kontrollieren. Viele dieser Vereine tragen die Haltung der extremistischen Organisationen aus ihren Herkunftsländern in diese Vereine und dies ist genau das Gegenteil von Integration. Integration heißt, Menschen einen Raum anzubieten sich frei weiterzuentwickeln.

Der Staat sollte also aktiv werden. Aber der agiert derzeit unter der Verantwortung von Sebastian Kurz in einer ethnopluralistischen Weise. Jede Kultur wird fein säuberlich getrennt, Vermischungen soll es nicht geben. Wie sehen deine Alternativvorstellungen aus?

Integration beginnt bei der Wohnsituation, Bildungschancen, Zugang zum Arbeitsmarkt und einem strukturierten Alltag und nicht in einer separierten Integrationsklasse oder einem separierten Integrationskurs, den Separation schafft naturgemäß Parallelwelten. Es ist Aufgabe des Staates, die Bildung von Parallelgesellschaften zu verhindern und nicht diese durch Separation auch noch zu fördern. Die Aufgabe des Staates ist nicht Hass und Angst zu schüren, sondern alle Menschen ungeachtet ihrer Herkunft, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung und Fähigkeiten mit Würde zu behandeln und ihnen ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit zu ermöglichen.

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