Wie die Kronenzeitung rassistische Ressentiments bedient – sogar ohne Grundlage

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By Christoph Ulbrich

Vor einigen Tagen hat die Stadt Wien angekündigt, einen Betreiber von 28 Kindergärten in Wien die Zuschüsse zu streichen, weil Förderungen widmungswidrig verwendet wurden. Alle Medien von von derstandard.at bis ORF.at berichten darüber. Auch die Kronen Zeitung. Und sie lenkt die Wahrnehmung des Skandals in eine rassistische Richtung, obwohl es dafür keinerlei Grundlage gibt. Eine Recherche von Christoph Ulbrich


„Neuer Skandal um Multikulti-Kindergarten in Wien“ ?

„Neuer Skandal um Multikulti-Kindergarten in Wien“ betitelt krone.at ihren Bericht über den mutmaßlichen Fördergeldskandal bei einem Wiener Kindergartenbetreiber. Danach folgt ein kurzer Text, in dem drei Mal der Begriff „Multikulti“ verwendet wird, ohne dass die Krone erläutert, was an den Kindergärten überhaupt „Multikulti“ sein sollte.

Überhaupt ist nicht nur bemerkenswerter, was die Krone hier schreibt, sondern auch, was sie nicht schreibt. Vor allem, wenn man die Berichterstattung mit jener über eine Kindergartenskandal vor wenigen Monaten vergleicht.
Nicht genannt wird der Name der Kindergärten. Der lautet, wie der Homepage des Betreibers und allen anderen Medien zu entnehmen ist „Internationaler Privatkindergarten Alt-Wien“ oder kurz „Alt Wien“.
Ebenfalls – auch das ist auffällig – nicht genannt wird der Name des Vereinsobmanns. Er wird lediglich als R.W. abgekürzt. Und das, obwohl der Name Richard Wenzel in allen anderen Medien veröffentlicht wird. Der Schutz der Persönlichkeitsrechte erscheint hier vor allem auch unangebracht, weil Richard Wenzel gegenüber den Medien ausführlich zu den Vorwürfen Stellung genommen hat. Die Nennung des Namens „Alt Wien“ hätte aber wohl ebenso wenig wie der autochton-österreichische Name des Obmanns in die konstruierte Geschichte vom „Multikulti-Kindergarten“ gepasst.

Das Etikett „Multikulti“ entbehrt jeglicher Grundlage

Alt Wien betreibt seit 50 Jahren Kindergärten in Wien. Weder im pädagogischen Konzept noch in den angebotenen Kursen lässt sich ein „multikultureller“ Ansatz erkennen. Angeboten werden Werk-, Ballett-, Gymnastik- Schwimm- und Reitkurse. Der einzige internationale Aspekt ist die Frühförderung durch Englischkurse. Sitz des Vereins ist nicht Ottakring oder die Brigittenau, sondern die durch und durch bürgerliche Josefstadt. Einzig im Namenszusatz des Trägervereins findet sich der Begriff. Der vollständige Name des Vereins ist, laut Vereinsregisterauszug. „Alt-Wien – MUKU – Arbeitsgemeinschaft für multikulturelle Kindergartenpädagogik“. Die Krone hat sich hier also: 1. sich bewusst dazu entschieden, nicht den Namen des Vereins zu nennen, sondern den Namenszusatz in den Vordergrund zu rücken. Und 2. den in allen anderen Medien nachzulesenden Namen des Obmanns nicht als Richard Wenzel aus zu schreiben oder als Richard W. zu anonymisieren, sondern R. W. zu verwenden.

Im Vergleich die Berichterstattung zu den Islamkindergärten

Es ist nicht das erste Mal, dass es zum Missbrauch von Fördergeldern durch einen Kindergartenbetreiber gekommen ist. Im März berichtete die Krone über den Skandal rund um einen Kindergarten in der Romanogasse im 20. Bezirk. Doch anders als bei Alt Wien wurde damals der Name des Betroffenen nur soweit abgekürzt, dass der Migrationshintergrund offensichtlich wird. Abdullah P. Auch der Hinweis, dass der Betreiber „gebürtiger Türke“ ist, durfte nicht fehlen. Und anders als bei Alt Wien nannte krone.at damals sehr wohl den vollen Name des „Kindergarten KIBIZ (Kinder Bildungs- und Integrationszentrum)“.

Die Rechnung geht auf. HC Strache teilt den Artikel

Ein weiterer Kindergarten-Skandal ist natürlich ein willkommenes Fressen für HC Strache und die FPÖ. Und so thematisiert Strache denn auch das Thema auf seiner Facebook-Seite. Er verlinkt dazu allerdings nicht einen der ausführlichen Artikel auf orf.at, derStandard.at oder diePresse.com. HC Strache teilt stattdessen den dünnen krone.at-Artikel auf Facebook. Eine win-win Situation. Die Krone bekommt durch die über 385.000 Fans Traffic auf den äußerst dünnen Artikel; HC Strache kann mit einem scheinbar objektiven Artikel Stimmung machen.

Dass die dem Bericht mitgegebene Tendenz bei den Lesern ankommt, zeigen die Kommentare unter Straches Posting. Obwohl es nicht den geringsten Anzeichen dafür gibt, projizieren HC Straches Fans in die Berichterstattung über den Kindergarten vermeintlich Islamismus hinein.

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(Anmerkung: In einem Folgebericht einen Tag später nennt auch die Krone den vollständigen Namen des Betreibers. Bei der Zuschreibung „Multikulti“ bleibt die Krone allerdings. Dieser weitere Bericht wurde von HC Strache dann nicht mehr geteilt.)

 

 

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