Im Winter 2009 diskutierten im ORF-Studio die damalige ÖVP-Innenministerin Maria Fekter mit dem (immer noch) burgendländischen SPÖ-Landeshauptmann Hans Niessl. Im Laufe des Gesprächs verkoppeln die DiskussionspartnerInnen das Thema Flüchtlinge („Asylanten„) mit Kriminalität. Vorneweg dabei der SPÖ-Politiker Niessl. Damit hat er, so die politikwissenschaftliche Analyse des Wiener Frame-Projects, in dieser Fernsehdebatte aktiv ein rechtspopulistisches und rassistisches Deutungsmuster in die Politik eingeführt und bei den Zusehenden aktiviert. Ein Deutungsmuster, das später durch die Koalition mit der FPÖ im Burgenland in eine politische Form gegossen wurde. Vorneweg – und als Kopf der Regierung – wiederum der Sozialdemokrat Niessl. Ein Tabubruch, wie anläßlich des Jahresjubiläums der rot-blauen Koalition gemeint wird, ist die 2015 geschlossene SPÖ-FPÖ Koalition also nicht. Statt zu brechen, wurde eine politische Strategie und Praxis vorbereitet, die auf einer langjährigen soliden inhaltlichen Übereinstimmung basiert und die eine traditionelle sozialdemokratische Schutz-Politik fortführt. Eine Analyse von Sebastian Reinfeldt
Bereits 2009 konnten man erkennen, wie die rechtspopulistische Erzählung aufgebaut sein wird, die die Politik der Sozialdemokratie im Burgenland prägt. In der Fernsehdebatte mit Fekter meinte Niessl wörtlich:
Ja, die Frau Innenministerin hat 270 Polizisten aus dem Burgenland abgezogn und statt der 270 Polizistn bringt sie jetzt die Asylantn ins Burgenland. das is ein sehr ein schlechta Tausch, den sie hier macht, also insofern a-haben wir wir mit steeiigender Kriminalität im Burgenland zum kämpfn.
Damit hat er – und nicht die konservative Innenministerin – eine Verbindung hergestellt, die eine falsche rassistische These transportiert: Ausländer seien krimineller als Inländer. In den Worten des Frame-Projektes:
Landeshauptmann Niessl (…) gebraucht dann das erste Mal in dieser Sendung das Reizwort „Asylantn“ und vollzieht auch gleich die Kopplung mit „steeiigender Kriminalität“, welche den im xenophoben Diskurs gebräuchlichen direkten Zusammenhang unterstellt, Asylwerber seien überwiegend kriminell. Wie bei normalisierten Vorurteilsdiskursen üblich ist das Vollziehen der implizierten Logik aber weitgehend dem Publikum überlassen. Bei Niessl ist sie in die Begründungsvoraussetzungen der Darstellung eingelassen, dass mit mehr Asylwerbern die Kriminalität noch weiter steigen würde.“
Der inkriminierte Zusammenhang wird einfach nur behauptet, ohne ihn belegen zu müssen (und er lässt sich auch keinesfalls belegen), denn die Zusehenden „beweisen“ diesen angespielten Zusammenhang aus diskursiven Fragmenten, die sie irgendwo gehört oder gelesen haben. Auch dies kann die Frame-Analyse von Emo Gotsbacher gut nachzeichnen, weil sie auch Zuseherinnen und Zuseher dieser Diskussionen befragt haben. Niessls Deutungsmuster kam dabei an. Somit wird aus einer Lüge eine scheinbare Realität, die politische bestimmt worden ist, um Wahlen zu gewinnen, beziehungsweise um an der Macht zu bleiben. „Das Entscheidende ist“, so Niessl in einem Standard-Interview offen: „Wie gewinnt die SPÖ Wahlen? Und zwar auf allen Ebenen.“
Sicherheit, Sicherheit, Sicherheit…
Es ist aber nicht nur nur diese grundlegende, sachlich falsche Verkoppelung (Schutzsuchende + Kriminalität), die die Politik im Burgendland prägt. Niessl tourte im Wahlkampf 2015 damit durch das Burgenland, wobei er nicht müde wurde, die durch die Ausländer und die offenen Grenzen bedrohte Sicherheit anzuprangern. Generell werden bis heute „Ausländer“ zu Schuldigen der prekären sozialen Situation im östlichsten Bundesland Österreichs gemacht. Bereits vor den Wahlen 2015 warnte daher eine AutorInnengruppe auf Mosaik-Blog davor, dass
im Burgenland seit Jahren eine Law-and-Order-Politik geführt [wird], die das Thema „Sicherheit“ zur publikumswirksamen Königsdisziplin erhoben hat und jedes andere Politikfeld (wortwörtlich) überschattet
Die Mosaik-AutorInnen heben dabei ebenfalls auf das „gezielte Auseinander-Dividieren von „ausländischen“ und „burgenländischen“ Arbeiter_innen“ ab. Im Nachhinein wissen wir, dass die Äußerungen von Niessl keine „Sager“ sind, sondern Bausteine eines strammen rechtpopulistischen Diskurses und einer eben solchen politischen Strategie. Denn die Schutzsuchenden („Flüchtlinge“, „Asylanten“) waren nur das eine Thema der Niesselschen Attacken gegen Ausländer. Als nächstes nahm sich die burgenländische Regierung Arbeitende aus der EU vor – und hier besonders BauarbeiterInnen aus den Nachbarländern Ungarn und Slowakei.
„Niessl will Grenzen für EU-Ausländer dicht machen“, titelte der Kurier im April 2016. Konkret fordert der burgendländische Sozialdemokrat damals, die EU-Entsenderichtlinie außer Kraft zu setzen, um den heimischen Arbeitsmarkt zu schützen. Der Landtag des Bundeslandes hat übrigens mit den Stimmen aus FPÖ und SPÖ einen entsprechenden Entschließungsantrag verabschiedet. Darin werden unter anderem „nationale Zugangsbeschränkungen für EU-Ausländer auf den heimischen Arbeitsmarkt“ gefordert, außerdem mehr Kontrollen der Finanzpolizei und Kürzungen von Sozialleistungen für EU-Ausländer. Diese Punkte liegen auf der politischen Linie der britischen UKIP, des französischen Front National oder der deutschen AfD.
Rechtspopulistische Politik – powered by burgenländischer SPÖ
Statt die Unternehmen zu gleichen Löhnen für alle Arbeitenden zu zwingen, von denen diese diesseits und jenseits der Grenze leben können, stempelt die Landesregierung ausgerechnet die ausländischen ArbeitnehmerInnen zu „Lohndrückern“ und somit zu Schuldigen der relativ hohen Arbeitslosigkeit im Bundesland. Mittlerweile wird diese unsoziale und rassistische politische Linie in Österreich zu einer Art sozialdemokratischen Modell erklärt: Wie die Zeitung Die Presse berichtet, bringt die oberösterreichische SPÖ am Donnerstag einen Antrag ein, der „mit zentralen Forderungen der SPÖ Burgenland übereinstimmt“, so Klubobmann Robert Hergovich. Praktisch Wort gleich werden dieselben Forderungen wie im burgenländischen Entschließungsantrag von SPÖ und FPÖ erhoben.
Die Idee, nationale Märkte durch protektionistische Maßnahmen zu schützen, ist eine traditionelle sozialdemokratische Linie. Sie wird jetzt von einer Strömung der SPÖ weiter verfolgt, die in den Gewerkschaften und bei Arbeiterkammerfunktionären Rückhalt findet. Ihr Frontmann ist Hans Niessl. Mit dieser Politik sollte ursprünglich die heimische Wirtschaft und die eigenen Produkte vor billigen Produkten aus anderen Ländern geschützt werden. Niessl erweitert diesen Punkt um den Schutz der heimischen ArbeitnehmerInnen, und wendet damit die traditionelle sozialdemokratische Linie zu einem symbolischen Ausschluss gegenüber „anderen“ Menschen. Gegen sie soll ein Schutzwall errichtet werden. Realpolitisch zu Ende gedacht führt diese Politik zu einem Austritt aus der EU, um die neoliberalen Konkurrenz nurmehr in den nationalen Grenzen zu halten – dieser Flügel ist in tune mit den RechtspopulistInnen in Europa.
Das Resultat einer solchen Politik sehen wir derzeit in Großbritannien.
Foto: Head of the bloodhound. Wiki-Commons