Anfangs waren so gut wie keine Personen anwesend. Dann kamen die Antisemiten und haben die Veranstaltung #NuitDebout Austria / #GlobalDebout am Sonntag, 15.Mai, in Wien übernommen. Nach dem Fiasko bei dem Wiener Occupy-Remake ist dies bereits die zweite unfreundliche Übernahme einer möglichen Protestbewegung in Österreich. – Von Sebastian Reinfeldt und Elias Weiss
Offene Mikrophone sind an sich eine gute Idee. Unsere Stimmen erheben, wo ansonsten unentwegt in unserem Namen gesprochen wird. Doch ruiniert eine Öffnung der Mikrophone ohne politische Kriterien jede Protestbewegung. So am Sonntag geschehen. Auf Facebook wird über die Wiener Nacht – die im übrigen sehr kurz, weil sehr kalt war – wie folgt berichtet:
Wir waren sehr erstaunt als dort der antisemitische Prof. Franz Hörmann eine Rede hielt. Gegen Franz Hörmann wurde auch schon einmal ermittelt wegen des Verdachts der NS-Wiederbetätigung. Hörmann hatte früher gesagt, dass er keine Meinung zu Gaskammern habe und die Frage des Genozids zur Zeit des Nationalsozialismus nicht endgültig geklärt sei. Auch ist Hörmann in der HPÖ organisieret, in der ganz gerne mal vom „Geldjudentum“ gesprochen wird.
@MichaelBonvalot und ich wiesen die Veranstalter darauf hin, wer da grade spricht (wir glaubten noch an Unwissenheit), aber stattdessen wurden wir dann als „Hetzer“ beschimpft. Hörmann ergriff wieder das Wort und sagte, dass man nicht wissen könne, ob es den Holocaust gegeben hätte (sic!). Auch gebe es viele Historiker die daran zweifelten, ob es den Holocaust überhaupt geben hätte. @MichaelBonvalot und Ich seinen Hetzer und Provokateure. Zu unserem Schrecken war das ganze Publikum bis auf ein oder zwei Ausnahmen auf seiner Seite. Das Publikum bestand optisch nur aus Hippies und Alternativen und wir waren schockiert, dass dieser offensichtliche Antisemitismus bei dem Publikum ankam.
Bereits während der Kundgebung wurden die antisemitischen, und wohl auch strafrechtlich relevanten Behauptungen von Hörmann getwittert.
Es handelte sich also bei der antisemitischen Hasstirade nicht um Naivität des Sprechers, sondern um eine gezielte Provokation. In ihrer Antwort auf eine Kritik an den Beiträgen von Hörmann meinte die Organisatorin Sandrine Durand, ebenfalls auf Facebook:
Nobody was invite. Everybody has the right to speak in a democracy.
Also sind ihrer Meinung nach Holocaustleugnung, Antisemitismus, Rassismus und Homphobie ein Demokratieproblem – weil es Themen sind, über die man so oder auch anders denken kann und über die nicht gesprochen werden dürfe? Wenn Demokratie besonders dann geschieht, wenn das Volk spricht und mit Mehrheit bestimmt, dann ist ihr Demokratieverständnis nicht weit entfernt von dem Norbert Hofers. Demokratie ist eben nicht die Diktatur der Mehrheit, wobei in dieser Konzeption das einzige Problem darin bestehen würde, dass jede und jeder alles sagen können müsse.
Themen wie Holocaustleugnung, Antisemitismus, Rassismus und Homphobie markieren in Wahrheit genau die Grenze von Demokratie, weil die geäußerten Meinungen in der Konsequenz dazu führen werden, dass den in den Hasstriaden angesprochenen Gruppen das Reden ein-für-alle-Mal untersagt wird, und dass sie in ihrer sozialen und körperlichen Existenz bedroht werden.
Ähnliches geht im übrigen in Frankreich vor sich. Dort ist die in der Linken gerade gefeierten (und von den Leitmedien lange Zeit verschwiegenen) #NuitDebout-Bewegung ebenfalls antisemitisch unterwandert. In einem Beitrag des Blog EuropeIsrael wird nicht nur berichtet, dass der neurechte Philosoph Alain Finkelkraut von#NuitDebout-AktivistInnen des Platzes verwiesen wurde (worüber man durchaus geteilter Meinung sein kann), sondern auch, dass in Frankreich auch Anti-Israel-AktivistInnen die offenen Plätze und Mikrophone nutzen, um ihre Propaganda zu verbreiten.
Der Anlass der Bewegung in Frankreich war die Verschärfung der Arbeitsgesetze im Land. Mit der Gründung von Palästina-Arbeitsgruppen könnte sich die Bewegung von diesem Anlass entfernen. Sie würde dann langsam an Schwung verlieren, oder vollends von Antisemiten übernommen werden. Wir hoffen, dass die AktivistInnen vor Ort da wachsam genug sind.
Gerade in diesem Kontext ist es für Protest-Bewegungen um so wichtiger und dringender, sich eindeutig von Antisemitismus zu distanzieren, und den Antisemiten auch nicht unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit Raum für ihre menschenverachtende Propaganda zu geben. Für Österreich heißt das: Protestbewegungen sollten bestehende Initiativen aufgreifen und sich in ihrer Gründung bereits vernetzen. Die linke Wahlallianz Wien Anders hat im übrigen sofort reagiert, und sich von der Wiener #NuitDebout distanziert.