Das ist in einer Demokratie schon etwas Besonderes: Wenn das Verfassungsgericht entscheidet, dass ein Gesetz des Parlaments über das Verfassungsgericht gegen die Verfassung verstößt. Und die aktuelle Regierung erklärt dazu: „Uns interessiert das nicht. Eure Entscheidung ist selber verfassungswidrig!“ Die linke Oppositionspartei Razem antwortete mit einer Aktion vor dem Regierungsgebäude. Polen, im März 2016.
Es stimmt schon. Jede polnische Regierung bricht die Verfassung auf ihre Weise. Doch die derzeit amtierende geht dabei schon besonders rüde und unverfroren vor. Die Regierungspartei PiS hatte im Dezember 2015 ein neues Verfassungsgesetz durch den Sejm, das polnische Parlament, gepeitscht, das unter anderem die Zusammensetzung der Richter und die Regeln zur Beschlußfähigkeit des Gerichts verändert. Und zwar so weit, dass das Gericht de facto handlungsunfähig ist. Eine Institution, die qua Regeln der Regierung, die sie kontrollieren soll, lahm gelegt würde. Damit ist die Gewaltenteilung aufgehoben.
Nun, und nicht überraschend: Ein solches Vorgehen verstößt gegen die Verfassung, urteilt das Verfassungsgericht. Ein handlungsunfähiges Verfassungsgericht kann von einer Verfassung nicht gewollt werden. Klingt logisch. Nicht für die Regierung Polens, die hat nämlich die Entscheidung des Gerichts für ungültig erklärt und weigert sich, sie im Amtsblatt zu veröffentlichen.
In autoritären Zeiten ist es bereits eine verändernde politische Tat, wenn man die Tatsachen veröffentlicht. Das hat die linke Opposition übernommen. In der Nacht projizierten sie das Urteil und die Entscheidungsgründe an die Wand des Regierungsgebäudes in Warschau. Sie fordern dabei die Bevölkerung Polens auf: „Dies ist der Moment, wo wir zusammen stehen müssen. beteiligt euch!“
Es ist wirklich Ernst. Autoritäre Regierungsformen in Europa nehmen zu, die herrschende Politik lässt sich offenbar nurmehr mit blankem Befehl und durch Zwang durchsetzen. Auch wir sollten uns jetzt schon auf so etwas vorbereiten.