Gast-Rechte als linker Populismus?

Foto des Autors

By Sebastian Reinfeldt

Immer wieder poppt eine Debatte um linken Populismus auf. Derzeit macht Sarah Wagenknecht in Deutschland Schlagzeilen, weil sie das Asylrecht als ein „Gastrecht“ umgedeutet hat. 2013 wollte Oskar Lafontaine raus aus dem Euro, und das im deutschen Interesse. Das Schlagwort linker Populismus bedeutet leider zumeist einfach, dass eine Tür zu linkem Nationalismus geöffnet wird. Hier mein kritischer Text aus dem neuen Deutschland von 2013

Die Vorschläge Oskar Lafontaines, als Ausweg aus der Krise wieder ein Europäisches Währungssystem (EWS) einzuführen, also zu nationalen Währungen zurückzukehren und diese miteinander zu verkoppeln, hat (auch) eine Debatte um linken Populismus hervorgerufen.

Zwar liest sich der Diskussionsbeitrag Lafontaines mehr wie der Beitrag eines Ökonomen, doch enthält er eine deutliche politische Frontstellung: gegen die Regierungskoalition in Deutschland.

Außerdem fordert die unzweifelhaft rechtspopulistische „Alternative für Deutschland“ ebenfalls „eine geordnete Auflösung des Euro-Währungsgebietes. Deutschland braucht den Euro nicht. Anderen Ländern schadet der Euro.“ Außerdem verlangen sie „die Wiedereinführung nationaler Währungen oder die Schaffung kleinerer und stabilerer Währungsverbünde, auch „die Wiedereinführung der DM“ dürfe kein Tabu mehr sein.

Das ist momentan nicht die Position rechtspopulistischer Bewegungen und Parteien in Europa. So strebt beispielsweise die österreichische FPÖ, die seit 1986 die österreichische Demokratie von rechts attackiert, bislang keine Rückkehr zum Schilling an. Sie fordert vielmehr, die verschuldeten südlichen Länder aus dem Euro zu entlassen, und sie damit ihrem Schicksal zu überlassen. Die immer weiter steigenden Arbeitslosenzahlen in Südeuropa seien eine unmittelbare Folge der Weigerung der Eurokraten, untaugliche Länder aus dem Euro zu entlassen, heißt es bei der FPÖ zum Thema.

Technologie zur Stimmengewinnung
Eine Gemeinsamkeit zur Positionen von Oskar Lafontaines gibt es allerdings dennoch: Es wird eine strikte Gegnerschaft zur jeweiligen nationalen Regierung und zum Kurs der EU formuliert. Lafontaine wendet sich explizit gegen die „deutschen Unternehmerverbänden und dem diesen folgenden neoliberalen Parteienblock, bestehend CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen“; die Alternative für Deutschland AfD formuliert im Stil der FPÖ der 1990er Jahre, dass „die Altparteien verkrustet und verbraucht“ sind, weil sie sich weigerten, Fehler „einzugestehen und zu korrigieren“. Und für die FPÖ trügen die Eurokraten in Brüssel im Verein mit den unfähigen österreichischen PolitikerInnen die Schuld an der Misere.

Bei den genannten Vorschlägen handelt es sich offenbar nicht um Szenarien, die in Volkswirtschaftsseminaren durchgespielt oder durchgerechnet werden sollen. Durch die in den Erklärungen explizit gemachte Frontstellung funktionieren sie als Appelle an die Bevölkerung, ihre Unterstützung der jeweiligen Regierungskonstellationen zu beenden, und damit eine andere politische Option zu wählen. Nämlich die jeweilige Partei, also die Linke, oder die AfD oder die FPÖ.

Diese Art des Populismus mag man persönlich mögen oder nicht – er ist jedenfalls als eine politische Technologie zur Stimmengewinnung so lange erfolgreich, wie Teile der Bevölkerung der Erzählung und den diese Erzählenden Glauben schenken. Populisten müssen aber auch einen Preis für diese Art der Mobilisierung bezahlen, denn sie rufen erstens ein mehr oder weniger einheitliches nationales Kollektiv an (Lafontaine: „Die Deutschen haben noch nicht erkannt“; AfD: „Deutschland braucht den Euro nicht.“; FPÖ: „Österreich zuerst“) und reklamieren zweitens zugleich, dieses besser repräsentieren zu können als die momentan Regierenden. Der Volkswille und der politische Wille der Populisten würden nämlich übereinstimmen: „Wir für Euch!“

Fiktive Kollektive und ihr Gegenüber
In Wahrheit existiert natürlich ein solcher Volkswille nicht, und Demokratien in diesen Zeiten bestehen aus Vielstimmigkeit und Verschiedenheit, die es zu organisieren gilt, aber nicht zu homogenisieren – besonders auf Seiten der Linken. Doch selbst dann, wenn man linken Populismus als eine notwendige Form der Agitation im Medienzeitalter bezeichnen würde, und somit diese Form der politischen Mobilisierung akzeptieren würde, so darf nicht übersehen werden, dass es im populistischen Diskurs eine strikte Ausschließungslinie gibt: Die AfD wendet sich in ihrem Wahlprogramm nicht zufällig gegen wenig qualifizierte Zuwanderer, und die FPÖ wird nicht müde, angeblichen „Asylbetrug“ und „Umvolkung“ anzuprangern.

Der Grund dafür liegt in der systematischen Anrufung der Wir-Kategorie, „wir“ Deutsche, „wir“ Österreicher, „wir“ Franzosen etc., die einheitliche Interessen, Meinungen, usw. haben sollen. Diesem fiktiven Kollektiv steht in bisherigen populistischen Erzählungen immer ein fremdes Gegenüber entgegen. Und genau hier stellt sich die Frage, ob eine Linke bereit ist, einen solchen „Fremdarbeiter“-Preis für ihre populistische linke Mobilisierung zu zahlen.

 

Schreibe einen Kommentar